25.10.2021 - OLG Frankfurt am Main: Überwiegendes Verschulden eines Lkw bei Abstandsverstoß trotz Vollbremsung des Vordermanns wegen eines Fehlers des Bremsassistenzsystems

OLG Frankfurt am Main vom 9.3.2021, Az. 23 U 120/20

Eine Autofahrerin war auf einer dicht befahrenen Stadtautobahn unterwegs. Hinter ihr fuhr ein Lkw. Aufgrund eines Systemfehlers beim Bremsassistenten bremste das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich bis zum Stillstand ab, der Lkw konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf.

Beide Beteiligten forderten Schadenersatz. Die Pkw-Fahrerin war der Ansicht, nicht schuld zu sein, da ein Assistenzsystem versagt habe und der Hintermann so viel Abstand halten müsse, dass er auch hinter unvermittelt auftretenden Hindernissen anhalten kann. Der Lkw-Fahrer berief sich darauf, dass die technische Fehlfunktion so massiv heruntergebremst habe, dass er das Auffahren nicht verhindern konnte. Damit sei der Anscheinsbeweis „wer auffährt hat Schuld“ entkräftet.

Die Sache ging vor Gericht.

Das OLG Frankfurt am Main entschied, dass die Autofahrerin zu 1/3 hafte, der Lkw-Fahrer zu 2/3. Es sei festgestellt worden, dass der Lkw-Fahrer zwar einen üblichen Anstand, nicht aber den vorgeschriebenen Abstand eingehalten habe. Bei einem Fahrzeug über 3,5 t und einer Geschwindigkeit von mehr als50 km/h sei ein Abstand von 50 m einzuhalten, hier war lediglich ein Abstand von 35 m festgestellt worden. Damit spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Lkw-Fahrers.

Dieser Anscheinsbeweis sei auch nicht dadurch erschüttert, dass das klägerische Fahrzeug aufgrund eines fehlerhaften Einsatzes des Collision Prevention Assist bis zum vollständigen Stillstand ohne verkehrsbedingten Grund abbremste.

Dies sei lediglich bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge zu berücksichtigen. Dieser sei hier mit 1/3 anzusetzen, da sie ohne ersichtlichen Grund bis zum Stillstand abbremste. Es komme nicht darauf an, dass dies durch ein fehlerhaftes Assistenzsystem geschah.